UVV-Unterweisung - mal anders!
Gewalt gegen Einsatzkräfte ist zwar kein neues Phänomen, hat aber in den vergangenen Jahren eine völlig neue Dimension angenommen.
Was früher bei Einsätzen von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst fast undenkbar war, ist heute an der Tagesordnung: Einsatzkräfte erleben Gewalt in jeder Ausprägung! Gewalt gegen Einsatzkräfte ist ein Thema, über das lange geschwiegen wurde. Doch Gewalt im Einsatz ist in der heutigen Zeit leider fast alltäglich geworden, und das nicht nur in Großstädten sondern auch in eher ländlichen Gegenden. Sei es Gewalt im Rettungsdienst, Gewalt gegen die Feuerwehr oder Gewalt gegen Polizeibeamte, die tätlichen Übergriffe auf Hilfs- und Rettungsdienst geschehen immer häufiger. Es ist wichtig, diese Gewalt nicht weiter zu ignorieren. Wenn Rettungskräfte geschlagen oder beschimpft werden, darf die Öffentlichkeit das nicht weiter wegsehen. Viele Hilfs- und Rettungskräfte sind ehrenamtlich für die Menschen im Einsatz, niemand sollte bei dieser Arbeit um seine eigene Gesundheit Angst haben müssen.
Für die Gewalt gegen über Einsatzkräften ließen sich eine Vielzahl von Beispielen nennen. Hier ist ein Brandeinsatz zu nennen, bei dem sich Anwohner beschwert haben, dass die Feuerwehr aus dem öffentlichen Hydrantennetz Wasser entnommen hat, und dadurch die Wasserversorgung zusammengebrochen ist. Sie konnten keinen Kaffee kochen und auch nicht duschen gehen. Darüber haben sich die Menschen beschwert, haben Feuerwehrleute bepöbelt, und die Polizei musste eingreifen. Gaffer, die den Rettungskräften im Weg stehen, Autofahrer, die keine Gasse bilden, Schaulustige, die Unfallopfer fotografieren, Randalierer, die mit Flaschen werfen – all dies geschieht immer oft am Rande von Einsätzen. Hier sei auch der Fall zu nennen wo Feuerwehrleute in Auftrag der Polizei eine Tür öffnen sollten, und Anwohner versuchten die Einsatzkräfte mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Hier werden ganz klar Grenzen überschritten, das geht gar nicht. Auch in unserer Stadt hat es bereits mehrfach gegenüber Einsatzkräften von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst ähnliche Vorkommen gegeben.
Diese Problematik nahm Jan Broszeit, Sicherheitsbeauftragte der Freiwilligen Feuerwehr Seesen, zum Anlass anstatt der jährlich UVV-Unterweisung eine „Sicherheitsbelehrung - mal anders“ durchzuführen. Hierfür konnte er den Referenten Florian Wildmann, Rettungsassistent und Krav Maga Trainer gewinnen. Dieser hielt einen Vortrag zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte, wie schütze ich mich und wehre ich mich?
Florian Wildmann ist Anfang Vierzig, ehemaliger Rettungsassistent und nach Abschluss des Studiums zusammen mit seiner Frau selbständiger Unternehmer. Nach Judo und Kickboxen gab es schon seit vielen Jahren den Wunsch Krav Maga zu erlernen. Nach Vorbereitungszeit und einigen Seminaren besuchte Florian den Instructorkurs von Lior Offenbach von Combat Krav Maga International und bestand diesen. Seit Mai 2016 ist er offizieller Instructor für Combat Krav Maga International. Nachdem er auf das System Kalah von Idan Abolnik aufmerksam wurde, und Idan Abolnik im September 2017 zum ersten Mal nach Deutschland kam, war der Besuch des Instructorenkurses ein Muss. Nach einer Woche harten Trainings bestand er den Kurs und darf nun auch das System Kalah ausbilden. Im Oktober 2018 erfolgte die Ausbildung und Zertifizierung zum Level 2 Instructor Kalah System. Gemeinsam mit seiner Frau Jill gehört er zu derzeit fünf Level 2 Instructoren deutschlandweit.
Florian Wildmann betonte zu Beginn seines Vortrags, das es für die Einsatzkräfte oftmals nur schwer vorherzusehen ist wann ein Angriff auf sie erfolgt, daher sei es umso wichtiger, die Retter auf einen unerwarteten Angriff vorzubereiten. Die Feuerwehr Seesen habe bereits reagiert und befasse sich, so auch auf dem heutigen Dienstabend, mit dem Thema der Gewalt gegen Einsatzkräfte. Leider muss sich jeder Feuerwehrmann, jeder Polizist und jegliches medizinische Rettungspersonal bewusst sein, dass sie in ihrer Arbeit jederzeit angegriffen werden können. Jeder scheinbar harmlose Hilfesuchende kann ohne Vorwarnung zu Gewalt neigen, nur wer auf diese Situation vorbereitet ist, kann sich im Ernstfall selbst schützen.
Abertausende von Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräften sorgen tagtäglich für Sicherheit, Schutz und professionelle Hilfe in unserem Land. Leider kommt es immer wieder zu Angriffen auf Einsatzkräfte. Viel zu oft werden sie bedroht, bespuckt oder gar getreten und geschlagen. Angriffe auf Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräfte sind Angriffe auf unsere Gesellschaft, unseren Rechtsstaat und auf unsere Werte. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Gewalttätige Übergriffe gegenüber unseren Einsatzkräften können wir nicht tolerieren. Und diese Übergriffe haben eine andere Qualität wie vor 10 bis 20 Jahren, - sie sind wesentlich härter geworden.
Wildmann berichtete von einem Feuer in einem heruntergekommenen Gebäude in Hahndorf, bei dem der Besitzer mit dem Vorgehen der Feuerwehr überhaupt nicht einverstanden war. Er ging mit Fäusten auf die Einsatzkräfte loß. Bei diesen Angriffen geht es nicht um die angegriffene Person, sondern richtet sich die Gewalt gegen Uniform und Einsatzkleidung, in der sich für die Angreifer die "Staatsmacht" wiederspiegelt.
Er betonte weiter, dass man auf sein Bauchgefühl hören soll. Wenn man in einer bestimmten Situation Angst verspüren, ist Vorsicht geboten. Das Unterbewusstsein nimmt Gefahren lange vor unserem Verstand wahr. Dennoch darf man die Gefahr die von solchen Tätern ausgehen nicht verkennen. Der große Vorteil gegenüber den Einsatzkräften von Polizei und Rettungsdienst, liegt bei der Feuerwehr ganz klar an der wesentlich höheren Anzahl von Kameraden, die vor Ort sind. Was man letztendlich bei einem Angriff auf die eigene Person tun kann beschrieb Florian Wildmann so:
- immer aufmerksam sein, um im Fall eines Übergriffes reagieren zu können
- Abstand halten
- mit dem Angreifer kommunizieren
- ruhiges Reden
- Hände in Höhe des Oberkörpers halten um einen möglichen Angriff abzuwehren
- überraschen Sie den Angreifer durch unerwartete Ablenkung oder Täuschung
- akzeptieren Sie den Gedanken, dass Sie jederzeit angegriffen werden können
- seien Sie sich im Klaren, sich jederzeit gegen die Gewalt zu stellen und sich wehren zu können
- führen Sie Gegenmaßnahmen mit voller Konzentration und Geschwindigkeit durch
- resolut sein und sich nicht in die Opferrolle zwängen lassen
Was bei Angriffen mit den Fäusten und bei Tritten zu tun ist, aber auch die Problematik bei der Bedrohung mit einem Messer oder einer Schusswaffe wurden behandelt. Während des Vortrags gab es immer wieder die Möglichkeit das Gelernte auch zu üben. Im Sommer soll dem theoretischen Teil noch ein praktischer Ausbildungsteil folgen, in dem es um das Thema Selbstverteidigung geht.
Text: | Lutz Lunkewitz |
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Fotos: | Lutz Lunkewitz | |||
Theo Blick / dpa |