Die Feuerlösch- und Trinkwasserversorgung der Stadt Seesen
Ein Rückblick auf die Feuerlösch- und Trink-wasserversorgung in den Jahren 1844 bis 1959 der Stadt Seesen, von Baumeister Alban Rabe (Stadtbauoberinspektor i. R.), erstellt am 20. September 1959.
Schon in den Jahren 1844-1845 wurde im Stadtverordneten – Collegium über den Bau einer Wasserleitung verhandelt. Der Bau kam aber nicht zustande, da die Kosten hierzu nicht aufgebracht werden konnten. Die Wasserversorgung erfolgte zu dieser Zeit durch Brunnen, die an verschiedenen Straßen der Stadt und auf Privatgrundstücken genügend vorhanden waren. Auch das Feuerlöschwasser musste aus diesen Brunnen und aus den Stauanlagen des Schildaubaches, der verzweigt durch die Stadt führte, entnommen werden. Erneute und ernsthafte Verhandlungen über den Bau einer städtischen Wasserversorgung setzten erst im Jahre 1872 unter Bürgermeister W. Bierstedt ein. Wie am 15. 8. 1872 registriert ist, hatten sich 167 Hausbesitzer in einer Bürgerversammlung bereiterklärt, sich an den Kosten zu beteiligen. Zu dieser Zeit hatte Seesen 3400 Einwohner. Auf Grund der städtischen Beschlüsse wurde der Bau der städtischen Wasserleitung mit einem Kostenaufwand von 16000 Talern noch im Jahre 1872 durchgeführt.
Das Wasser wurde aus dem Bullarsbrunnen der Grane und der Schildau wegen seiner ausgezeichneten Beschaffenheit und Weichheit entnommen. An den Entahmestellen wurden Stauanlagen errichtet und von hieraus des Wasser über Absatzbecken dem Sammelbehälter im städt. Kurpark mittels Rohrleitungen zugeführt. Der Hochbehälter fasste 350 cbm Wasser. Von hier aus wurde das Wasser mittels 6-zölliger gusseiserner Leitung bis an die zum Feuerlöschteich im Kurpark nach der Stadt führende 6-zöllige gusseiserne Wasserleitung geführt und mit dieser verbunden. Diese nach der Stadt vom Feuerlöschteich führende 6-zöllige Wasserleitung wurde bereits im Jahre 1866 von der Braunschweigischen Landeseisenbahngesellschaft bis nach dem Bahnhof Seesen gebaut. Durch ein besonderes Abkommen zwischen Eisenbahn und Stadt wurde nun diese Leitung als Falleitung von der Stadt Seesen übernommen und der Ablaufstutzen am Feuerlöschteich im Kurpark geschlossen.
Im Ortsgebiet wurden entsprechende Verteilungsleitungen aus Gusseisen in Weiten von 3 - 6 Zoll der Stadt Seesen übernommen und der Ablaufstutzen am Feuerlöschteich im Kurpark geschlossen. Die Hausanschlüsse wurden mit Bleirohren zumeist 1/2 bis ¾ Zoll erstellt. 30 Unterflurhydranten wurden zur Sicherung des Feuerlöschwesens an verschiedenen Stellen der Stadt eingebaut, das Hauptrohrnetz mit 16 Absperrschiebern versehen.
255 Hausanschlüsse wurden hergestellt. Zu bemerken ist noch, dass bei der Übernahme der 1866 gelegten Eisenbahnleitung die Stadt verpflichtet war, täglich bis zu 140 cbm Wasser der Bahn zu liefern.
Schon in den Jahren 1892 bis 1912 wurde hier über den Wassermangel geklagt. Wiederholt hat diese Frage das Stadtverordneten–Colegium beschäftigt, wie dem abzuhelfen ist. Bekanntmachungen durch Bürgermeister Schönermark ermahnten zu größter Wasserersparnis.
Auch der Commandeur der Feuerwehr der Stadt Seesen, Steigerthal, schrieb am 5.6.1896, dass die Wasserzufuhr unzureichend sei und er im Brandfalle jede Verantwortung ablehne. Wiederholte Messungen aller Quellen und Bäche der Grane und Schildau ergaben nicht den erwünschten Erfolg. Andere Möglichkeiten mussten gesucht werden. Erst im Jahre 1911, ein besonders trockenes Jahr – wohl ähnlich wie das Jahr 1959 – wurden über den weiteren Ausbau des städtischen Wasserwerkes ernstliche Verhandlungen begonnen.
Die Stadtverwaltung war gezwungen 1911 mittels Wagen und in Fässern Wasser aus den Quellen bei dem jetzigen städtischen Wasserwerk, Nähe Winkelsmühle, in die Stadt zu bringen, an eine Feuerlöschsicherheit war nicht zu denken.
Am 11.7.1912 erhielt die Brunnenbau-Gesellschaft Achim den Auftrag, 2 Brunnen zu 17000 Mark bei dem jetzigen Pumpenwerk bei Winkelsmühle zu bauen. Beide Brunnen haben eine Tiefe von 38 bis 40 m. Ein Brunnen davon, der 1. vor dem Pumpenhaus gelegene, hat jahrein, jahraus ergiebig gutes Wasser geliefert. Es handelt sich hier um einen artesischen Brunnen. Der 2. Brunnen ergab nicht den erwünschten Erfolg und ist inzwischen ausgeschaltet. Das noch vorhandene Pumpenmaschinenhaus wurde von dem Kreismaurermeister Nachtweih unter der Leitung des Baumeisters Theo Friedemann, der zu der Zeit schon bei der Stadt Seesen tätig war, erbaut.
Die Stadt hatte zu dieser Zeit noch keinen elektrischen Strom und war somit nur auf einen Dieselmotor und auf die Wasserversorgung aus der Schildau angewiesen. Zu gleicher Zeit wurde oberhalb des Forellenstieges an der Lautentaler Straße ein 1250 cbm fassender Wasserhochbehälter erbaut. Dieser Hochbehälter wurde mittels einer 4000 m langen gusseisernen Pumpleitung von 225 mm 1. Weite, die zum Pumpwerk unter der hohen Felsbrücke hindurch in der Feldmark Steinbühl, Grefeke entlang führt, mit dem städtischen Pumpwerk verbunden.
Anstelle der alten Eisenbahnleitung wurde eine neue gusseiserne Falleitung von 225 mm 1. Weite gleichzeitig vom neuen Hochbehälter beginnend entlang der Lautentaler Straße in die Stadt geführt und mit dem vorhandenen Leitungsnetz der Stadt verbunden. Die Förderhöhe vom Pumpwerk bis zum Hochbehälter beträgt rund 102 m. Gleichzeitig wurde aber das Wasser der Schildau mittels Stau- und Reinigungsanlagen dem neuen Hochbehälter zur weitren Wasserversorgung der Stadt zugeführt und das Pumpwerk nur zeitweise bei Wassermangel und Trockenheit in Betrieb gesetzt.
Am 18.10.1913 wurde das Pumpwerk nach einem Bericht des Stadtrats Schünemann in Seesen mit dem betriebsfähigen Dieselmotor in Betrieb genommen. Durch die Höherlegung des Hochbehälters und die verstärkte Falleitung von 150 mm 1. Weite wurde der Wasserdruck und damit die Leistung der Hydranten wesentlich erhöht und damit auch genügend Feuerlöschwasser geliefert.
In den Jahren 1930 bis 1932 wurden Wassermesser in allen Häusern und Betrieben eingebaut, um den übergroßen Wasserverbrauch einzuschränken.
Der Bau der Langsamfilteranlage, der Chlorgasanlage sowie der Einbau von Wassermessern erfolgte nach den Vorschlägen und unter der Bauleitung des Sachbearbeiters Stadtbauinspektor Alban Rabe, dem auch zu dieser Zeit die Verwaltung der Wasserversorgung oblag.
Im Jahre 1943 wurde ein weiteres Pumpenaggregat, ein Elektromotor 85 PS mit Kreiselpumpe, Leistung 110 cbm / Std., eingebaut und zur Verstärkung der Wasserförderung eingesetzt.
Infolge der immer mehr zunehmenden Bevölkerung der Stadt und Erweiterung der Industrieanlagen war die Stadt gezwungen, weitere Wasserquellen zu schaffen, so wurde in den Jahren 1948-1950 ein Tiefbohrbrunnen von 117 m Tiefe in der Nähe des städtischen Pumpwerks mit einem weiteren Pumpaggregat - Elektromotor mit Pumpe - geschaffen. Dieser Brunnen ist heute, gerade in diesem ungewöhnlich trockenen Jahr, die Hauptversorgungs - Quelle der Stadt Seesen, zumal der andere Brunnen daselbst zeitweise versiegt.
Des weiteren wurde im Jahre 1954/55 eine besondere Druckleitung (300 mm Ø) im Zuge der Braunschweiger Straße direkt in die Stadt und bis zum Ratskeller geführt. Eine Verlängerung dieser Leitung ist bis zum Wilhelmsbad – Frankfurter Straße, projektiert und wird wohl schon in allernächster Zeit gelegt. Damit ist wohl eine wesentliche Verbesserung der Wasserversorgung der Stadt, auch im Sinne der Feuerlöschwasser–Versorgung erfolgt.
Aber schon wieder werden neue Klagen über Wassermangel gerade in diesem Jahr 1959 laut und weitere Möglichkeiten, neue Wasserquellen zu schaffen, werden beraten. So sind schon Verhandlungen über die Erweiterung der Trinkwasserfilteranlage am Forellenstieg und der Bau eines weiteren Tiefbohrbrunnens im Gange. Es bleibt eine besondere Aufgabe der Stadt Seesen, neben dem Brunnenwasser des Pumpwerks das Schildauwasser für die Versorgung der Stadt in erster Linie wegen seiner guten Beschaffenheit in reichem Maße zu gewinnen. Wenn das Schildauwasser auch zeitweise bei Trockenheit in geringerem Maße zufließt, so ist wiederum bei feuchtem Wetter Wasser im Überfluss vorhanden. Eine Erweiterung des Wasserwerks ist durch die Erweiterung des Stadtgebietes und damit auch des Rohrnetzes, Zunahme der Einwohner, bedingt.
Für die Sicherung des Feuerlöschwassers sind z. Zt. Unterflurhydranten, Oberflurhydranten und Stauschächte im Ortsgebiet verteilt vorhanden.
Bei der Planung und Ausführung neuer Rohrleitungen wird der Einbau von Oberflur - Hydranten von der Feuerwehr gefordert, da der Unterflurhydrant für den Einsatz neuzeitlicher Löschfahrzeuge völlig ungeeignet ist. Möge auch in Zukunft die Aufgabe der Stadt sein, ihren Bürgern und der Industrien das gute Schildau – Gebirgsbachwasser und in wasserarmer Zeit zusätzlich Pumpwasser aus dem Brunnen bei Winkelsmühle in reichlichem Maße zuzuführen.
Seesen , den 20. September 1959 |
gez.: A l b a n R a b e |
Stadtbau – Oberinspektor i. R. |
Billdquellen:
- Stätisches Museum Seesen
- Stadtarchiv Seesen
- Zeitungsarchiv "Seesener Beobachter"